Beruflicher Stress droht zu einer der größten gesundheitlichen Gefahren des 21. Jahrhunderts zu werden. Depressionen, Burnout und psychosomatische Erschöpfungszustände haben in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. So weist der DAK Gesundheitsreport 2013 darauf hin, dass 14,5 % aller Ausfalltage der DAK-Versicherten in 2012 auf psychische Erkrankungen zurückzuführen waren. Während 1997 nur jeder 50. Versicherte wegen psychischer Belastungen krankgeschrieben wurde, war es 2012 bereits jeder 22. Das Krankheitsspektrum von Arbeitnehmern verschiebt sich zunehmend Richtung psychische Erkrankungen. Schätzungen von Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass bis zu 30 % unserer Bevölkerung von einer schweren Erschöpfung betroffen sind.
Was ist Burnout?
Burnout (englisch „to burn out“ = „ausbrennen“) bezeichnet den Zustand einer schwerwiegenden Erschöpfung nach jahrelanger beruflicher Überarbeitung, Überforderung und Frustration. In den 1970er Jahren entdeckte Herbert Freudenberger bei Menschen in helfenden, medizinischen Berufen, dass diese nach anfänglicher Begeisterung für ihre Arbeit im Laufe der Zeit an chronischer Erschöpfung, Leistungsabfall und Verlust an Empathie litten.
Burnout wird nicht als ein eigenständiges Krankheitsbild angesehen, sondern umschreibt das zeitgleiche Auftreten typischer Symptome, wie chronische emotionale und körperliche Erschöpfung, depressive Verstimmungen, Angststörungen, Gefühl innerer Leere, Schlaflosigkeit, Konzentrationsprobleme, Antriebslosigkeit, Verflachung der Gefühlswelt und innerer Rückzug. Allgemein lässt sich unter Burnout ein „Ausgebranntsein“ oder „Zustand totaler Erschöpfung“ verstehen. Medizinisch wird Burnout unter der Rubrik „Probleme mit Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ erfasst (Diagnoseschlüssel Z73 im ICD10).
Als Ursachen für einen Burnout lassen sich einige typische Faktoren identifizieren:
- Anhaltende Überforderung im Berufs- oder Privatleben
- Unzureichende Stressbewältigung
- Ungenügende Konfliktlösungsstrategien
- Perfektionismus-Streben
- Überidentifizierung mit der Arbeit
- Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
- Nicht ausgeglichene Energiebilanz über einen langen Zeitraum (mehr Energie abgeben, als neue gewinnen)
Der Burnout-Prozess
- Erste Warnsignale
- Die ersten Anzeichen psychischer und körperlicher Erschöpfung treten au.
- Idealismus gepaart mit leidenschaftlichem Engagement bildet ein Gefahrenpotential, weil sehr viele Energien in die Arbeit fließen und die eigenen Möglichkeiten überschätzt werden.
- Eigene Ideale und Anstrengungen decken sich nicht mehr mit der beruflichen Realität und den erzielten Erfolgen.
- Persönliche Bedürfnisse werden zugunsten der Arbeit zurückgestellt und vernachlässigt.
- Kraftreserven schwinden und der Energietank steht auf „Reserve“.
- Psychosomatische Beschwerden stellen sich ein, wie beispielsweise Schlafstörungen, Verspannungen, Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen, verminderte Libido, Zähneknirschen
- Phase der Stagnation
- Das Nichterreichen von gesteckten Zielen führt zu einem verminderten Engagement.
- Frustration und Enttäuschung über die beruflichen Gegebenheiten nehmen zu.
- Ein Gefühl des Überdrusses gegenüber der Arbeit breitet sich aus.
- Wochenenden und Urlaube bewirken nicht mehr die erforderliche Regeneration.
- Familiäre und freundschaftliche Beziehungen werden vernachlässigt.
- Insgesamt zeichnet sich ein schleichendes Rückzugsverhalten ab.
- Phase der Frustration
- Reizbarkeit und chronische Erschöpfung schreiten weiter fort.
- Die eigene Arbeitsleistung wird nicht wertgeschätzt, Strukturen am Arbeitsplatz lassen machtlos werden.
- Alles wird als zu viel erlebt. Kleinigkeiten türmen sich zu unüberwindlichen Bergen auf.
- Die zunehmende Frustration führt entweder in depressive Stimmungen (Ärger wird heruntergeschluckt) oder zu offen aggressiven Verhaltensweisen (die Umwelt wird angeklagt und verantwortlich gemacht).
- Das Gefühl „Niemand kann mir helfen“ verfestigt sich.
- Phase der Apathie
- Nur die allernötigsten Pflichtaufgaben können mit den letzten Energiereserven bewältigt werden.
- Konzentrationsstörungen nehmen zu und verursachen Fehler in der Arbeit.
- Die gesamte Gefühlswelt verflacht, d.h. positive Gefühle wie Freude, Lust, Optimismus bleiben auf der Strecke, während Gefühle von Ärger, Trauer, Schmerz nur noch wie betäubt wahrgenommen werden.
- Starke Angstgefühle bis hin zu Panikattacken treten auf.
- Veränderungen im beruflichen Alltag erscheinen unüberwindbar.
- Phase der Verzweiflung und des völligen Ausbrennens
- Nichts geht mehr! Der eigene Energietank ist völlig aufgebraucht.
- Kleinste Anforderungen und Aufgaben erscheinen unlösbar.
- Ein emotionaler Abgrund von Ohnmacht, Angst und Verzweiflung tut sich auf und droht einen zu verschlingen.
- Suizidgedanken treten auf.
- Eine längere Krankschreibung und u.U. ein langandauernder Klinikaufenthalt sind unausweichlich.
Die beschriebenen Phasen bilden keine strenge Abfolge, sondern können sich auch zeitlich überlappen. Einzelne Phasen können übersprungen werden. Jeder Burnout-Prozess verläuft individuell, wobei einzelne Symptome besonders herausragen können, während andere kaum auftreten.
Hilfe für Betroffene
Die gute Nachricht lautet: Bis zum Zeitpunkt des absoluten Ausbrennens besteht immer die Möglichkeit, der fortschreitenden Erschöpfung entschieden und mit sehr konkreten Weichenstellungen entgegenzutreten. Es muss nicht bis zum schlimmsten Fall kommen, wenn die Symptome im Verlauf des Burnout-Prozesses genügend Wahr- und ernstgenommen werden. Hier leistet die Burnoutberatung eine entscheidende Hilfestellung, indem mit Betroffenen eine ehrliche Standortbestimmung vorgenommen wird. Dabei geht es um die Fragen, wie es um den persönlichen Energiehaushalt bestellt ist, welche stressbedingten Probleme bereits aufgetreten sind und welche Denkmuster und Verhaltensweisen, aber auch äußeren Faktoren in die zunehmende Überforderung geführt haben.
Wie sieht die konkrete Hilfe für akut von Burnout bedrohte Menschen aus?
Als Coach nutze ich im Gespräch mit Betroffenen zum Beispiel folgende Interventionen:
Wir erstellen eine sogenannte Stresslandkarte, in die alle Arbeiten, Aktivitäten, Stressoren und Probleme eingetragen werden, die Kraft kosten, ob im Berufs- oder Privatleben. Auf diese Weise werden die unterschiedlichen Stressfaktoren identifiziert und präzise definiert. Wir gehen der Frage nach, welche Aufgabe oder Belastung wieviel körperliche und seelische Energie kostet. Anschließend wird die Stresslandkarte unter drei Gesichtspunkten aufgeteilt. Erstens geht es darum, die Stressoren herauszufinden, die zeitnah eliminiert werden können. Beispielsweise können einzelne Aufgaben im Arbeitsleben umgehend an andere delegiert werden. Ein nervenaufreibender zwischenmenschlicher Konflikt lässt sich durch ein offenes Gespräch lösen. Die ständige, unfaire Kritik eines Kollegen wird nicht mehr persönlich genommen, sondern zurückgewiesen. In der Regel geht es konkret darum, möglichst schnell innere und äußere Abgrenzungen gegenüber bestimmten Stressfaktoren vorzunehmen. Zweitens werden die Stressoren angeschaut, die sich zwar nicht kurz-, aber mittelfristig abbauen lassen. Hierunter fallen zum Beispiel typische Denk- und Verhaltensmuster, „Ich muss es anderen recht machen und alle an mich gestellten Erwartungen erfüllen“, „Ich fühle mich für alles verantwortlich und verliere mich in zu vielen Details.“ Mittelfristige Entlastungsschritte können Entscheidungen beinhalten, wie den Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsstelle, die Beendigung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, das Loslassen von überfordernden Aufgaben, ein besseres Zeit- und Aufgabenmanagement einüben. Drittens geht es um die energieraubenden Gegebenheiten, die der Betroffene äußerlich nicht verändern kann. Dies trifft auf andere Menschen und ihr Verhalten zu, auf Vorschriften und Gesetze, Enttäuschungen und vorgegebene Realitäten. Wenn sich etwas aber nicht kurz- oder mittelfristig verändern lässt, so kann aber die eigene innere Einstellung zu bestimmten Tatsachen positiv verändert werden. Bestimmte Probleme lassen sich als „Lösungen in Arbeitskleidung“ umdeuten. Der Nerv tötende Kollege stresst weniger, wenn er als Herausforderung zum Geduld üben angesehen wird. Hierbei geht es um eine gedankliche Umdeutung von negativen Gegebenheiten in ein positiveres Licht.
Aus meiner Erfahrung neigen wir dazu, an Umständen festzuhalten, auch wenn sie uns nicht passen. Wir passen uns trotz innerer Widerstände an. Das kostet sehr viel Kraft. Die Situation bleibt aber trotzdem unverändert. Diesen kräftezehrenden Weg der inneren Anpassung zu verlassen, fällt häufig ungemein schwer. Wir erdulden lieber die vertrauten Stressfaktoren und Belastungen, als uns von ihnen zu trennen. In der Folge breiten sich Lustlosigkeit und Widerwille aus. Wenn ich auf Dauer gegen meine inneren Widerstände arbeite, macht mich das körperlich und seelisch krank. Den Weg meiner schädlichen Anpassung zu verlassen, kostet erst einmal zusätzlich Kraft. Wenn ich aber eine längst fällige Trennung von schädlichen Gegebenheiten vornehme, wird Ballast von meinen Schultern fallen und mir neue Kraft zufließen.
In der weiteren Begleitung von Menschen, die sich emotional erschöpft fühlen, unter schweren Belastungen zusammenzubrechen drohen, nur noch gestresst sind und von Krisen geschüttelt „auf dem Zahnfleisch“ gehen, komme ich auf die ich elementaren Resilienzfaktoren zu sprechen.
Dabei geht es um
Wie können starke innere Widerstandskräfte mobilisiert und zur Stress- und Krisenbewältigung eingesetzt werden?
Welche Fähigkeiten und Stärken haben mir in der Vergangenheit geholfen, Krisen erfolgreich zu meistern?
Welche Weichen können gestellt werden, damit das eigene, emotionale Immunsystem gestärkt wird, um mich vor schädlichen Einflüssen besser zu schützen?
Wie kann ich eine optimistische, zukunftsorientierte Grundhaltung einüben?
Wie kann ich mich zeitlich effizienter organisieren und Aufgaben sinnvoller strukturieren?
Welche Probleme und Konflikte lassen sich pro-aktiv angehen, statt darauf zu warten, bis ich gezwungen bin, zu reagieren?
Wie kann ich mein soziales Netz guter zwischenmenschlicher Beziehungen gezielt aufbauen, um in Krisenzeiten nicht alleine dazustehen?
Die Energie-Waage
(Hier soll eine Zeichnung eingefügt werden von einer Waage, in die eine Waagschale zeigt ein Pfeil mit der Kennzeichnung „Energiezufluss“, in die andere ein Pfeil „Energieabfluss“)
Wer in stressigen und konfliktreichen Belastungsphasen nicht ausbrennen will, braucht ausreichende Energiereserven. Wenn die Waagschale mit Energieräubern gefüllt ist, bedarf es entsprechender Energiezufuhr in die andere Waagschale, um körperlich und seelisch in der Balance zu bleiben. Nur so ist eine dauerhafte berufliche und private Zufriedenheit erlebbar.
Darum geht es in der Burnoutberatung und Burnoutprävention auch um die entscheidende Frage, aus welchen Quellen mir innere Stärke, Lebensfreude und Ausgeglichenheit zufließen.
Jedem Menschen steht ein breites Spektrum an Kraftquellen zur Verfügung. Allerdings werden sie in Zeiten enormer Belastungen vernachlässigt, weil Zeit, Kraft und Motivation verlorengehen, sie bewusst anzuzapfen. Deshalb richte ich das Augenmerk von Burnout gefährdeten Menschen darauf, alte Kraftquellen wiederzubeleben und neue kreativ zu erschließen.
Was schenkt mir neue Energie, um aufzutanken und mich in stressigen Zeiten angemessen zu regenerieren? Der persönliche Kraftquellen-Katalog kann beispielsweise so aussehen:
- sportliche Aktivitäten, wie Wandern und Fahrradfahren
- ausreichend Schlaf bekommen
- einen spannenden Krimi lesen
- bei der Gartenarbeit abschalten
- meditieren
- regelmäßige Mahlzeiten mit der Familie
- klassische Musik genießen
- in Ruhe frühstücken
- eine jährliche Fastenwoche halten
- intensive Gespräche mit einem vertrauten Menschen
- die Planung und Vorfreude auf den Weihnachtsurlaub
Zusammengefasst verfolgen Burnoutberatung und Burnoutprävention eine doppelte Zielsetzung:
Die vorhandenen Energieräuber und Stressfaktoren erkennen auf unterschiedliche Art und Weise minimieren und andererseits bekannte und neue Kraftquellen erschließen und für einen ausgeglichenen Energiehaushalt nachhaltig nutzen.